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Über János Megyik
Írta: Alpár Bujdosó
(Veszprém, den 8. Mai 2004)
Ausstellung von János Megyik
Modern Galeria, Galerie der Vass Kollektion
5. Mai bis 30. September 2004
Ich hatte die Ehre, die künstlerische Laufbahn von János Megyik fast von Anfang an zu verfolgen und dabei gelegentlich sogar mitzuwirken.
János Megyik begann bereits als Gymnasiast in Komárom (Komárno) in den 50’er Jahren zu malen. Sein Lehrer, Károly Harmos brachte ihm das malerische Tafelbild so nahe, dass er sich nach 1956 an der Akademie der Bildenden Künste in Wien immatrikulierte und dort Malerei studierte (seine Lehrer waren Andersen und Dobrowsky). Zur Malerei und zu den Tafelbildern fühlte er sich lange hingezogen. Einmal deutete er vorsichtig an, dass er am liebsten Schlachten darstellen würde, wenn man das noch dürfte. Danach (1963) bewunderten wir im Uffizi das Bild von Ucello, das die Sommerschlacht in San Romano darstellt, so lange, dass wir letztendlich beide eine Reproduktion gekauft haben, um die in dem Bild versteckte Geometrie in ihrer Reinheit zu enthüllen. Megyik sagte einmal: „In meiner Arbeit beschäftigt mich das Tafelbild, das mit seiner statischen Darstellung die ganze Welt in einem einzigen Bild kompakt erfassen kann.” Er formulierte auch folgendermaßen: „Meine Sichtweise ist aber bildlich (tafelbildlich). Das Motiv ist für mich ein Vorwand, mit dessen Hilfe sich das Auge in der homogenen Welt der Geometrie besser zurechtfinden kann.”
Vielleicht bestimmte jener Moment in Florenz die künstlerische Laufbahn von Megyik und beeinflusst sie heute noch. Sein Denken ist anfangs mit der Erforschung der Perspektive, später mit der Erforschung der Geometrie, genauer gesagt der projektiven Geometrie eng verflochten. Letztere betreibt er natürlich nicht als eine geometrische Disziplin, sie ist viel mehr ein Mittel für ihn, mit dessen Hilfe er die Gesetzmäßigkeiten des (modernen) Sehens und des Anblicks zu erforschen versucht. Bei seinen Forschungen kommt er zum Ergebnis, dass „die perspektivische Darstellung seinen Träger, also die Ebene merkwürdigerweise verschwinden lässt. Diese Ebene definiere ich mit den Mitteln der Geometrie neu, wenn ich sie als ein räumliches Gebilde betrachte” – sagt er. Die Perspektive gelangt somit in den Kontext der projektiven Geometrie, wo die Konstruktion auch über den Horizont hinaus fortgesetzt werden kann …”
Seine Lektüren zeigen auch bald, dass durch die perspektivische Bilddarstellung die Ebene aufgeteilt (virtuell) und das auf der Ebene dargestellte Bild in den Raum gerückt wird. Zugleich bilden die Gesetzte der Perspektive die Grundlage des philosophischen Renaissancedenkens. Diese Überlegungen führen ihn zur Erkenntnis, dass zwischen der heutigen (Derridaischen und Deleuzischen) dekonstruktiven Philosophie und der auf der projektiven Geometrie basierenden Bildkonstruktion der gleiche Zusammenhang besteht, wie zwischen dem Renaissancedenken und der perspektivischen Sichtweise. Er kann sich damit offensichtlich nicht zufrieden geben, dass er solche (Tafel)bilder malt, wie seine berühmten Vorgänger (auch wenn er dies gerne tun würde): er beginnt die Ausarbeitung einer derartigen Bildgeometrie, die auf zwei Fokalpunkten basiert. Seine Bilder entstehen auch in diesem Kontext. Sie wurden 1964 in einer Hamburger Bücherhalle ausgestellt.
Inzwischen richtet sich seine Aufmerksamkeit auf die projektive Geometrie. Diese Wissenschaft beschäftigt sich mit der Projektion und den Eigenschaften der verschiedenen Formen, die bei der Projektion entstehen, verschwinden oder bewahrt werden. (Die Perspektive der Renaissance kann in diesem Zusammenhang als ein Spezialfall behandelt werden.) Zugleich beschäftigt ihn die ewige Problematik der modernen Kunst, was die Kunst außer der „Darstellung des Schönen” ausmacht. Durch seine Lektüren und durch die ständigen, intensiven Dialoge entsteht das, was er mit dem Schreiber dieser Zeilen 1972 in der Studie „Die Konstruktion des Nichts” gemeinsam aufs Papier bringt: „Die Kunst versucht mit verschiedenen Methoden das wiederzugeben, was mit Worten nicht ausgedrückt werden kann.” (Magyar Műhely [Ungarische Werkstatt], S. 43-44, 1974. Einige Jahre später erschien 1978 das Werk von Jean-François Lyotard über „Das postmoderne Wissen”, in dem er auch eine ähnliche Gedankenwelt skizziert.) Nach einer Abwägung ziehen sie die Schlussfolgerung, dass sich hinter der bisher gebräuchlichen Methode der Kunst „das Denken in Gegensätzen” verbirgt. Um zu etwas Neuem zu gelangen, das über das Unbeschreibbare gegebenenfalls „neue Information2 vermitteln kann, muss man die Welt „des Denkens in den Gegensätzen” verlassen und solche komplexe Zeichen schaffen, die weder auf der Spannung noch auf der materiellen Realisierung basieren.
Die Auseinandersetzung mit der projektiven Geometrie und mit dem immateriellen, nicht auf Gegensätzen basierenden Denken, führt Megyik zu den Holzkonstruktionen, die er Jahre lang auf immer komplexere Art und Weise zusammenbaut. Für diese Holzkonstruktionen benutzt er mal die beim Modellbau verwendeten Stäbchen, mal stämmige Gebälke (die Paul Cézanne gewidmete „Kathedrale” im Wiener Austria Center 1986-87). Bei diesen Werken ist nicht der ästhetische Anblick, „nicht das Schöne” wichtig. Man muss darauf achten, was und wie durch die nach den Gesetzen der projektiven Geometrie zusammenlaufenden (oder gegebenenfalls parallelen) Geraden, oder entlang den Radien der Projektion entstehen kann (oder entstehen könnte). Das ist auch zu erkennen, wo zwei Geraden eine Ebene markieren und wie wichtig die Punkte sind, wo sich die Geraden überschneiden. Beinhaltet all das Informationen darüber, was in der Studie als unbeschreibbar betrachtet wurde?
Diese Werke des Künstlers wurden sowohl im Wiener Künstlerhaus als auch im Museum Moderner Kunst ausgestellt. Auch im König Stephan Museum in Székesfehérvár, in der Pécser Galerie und sogar in der Hamburger Kunsthalle waren sie zu sehen.
Megyik führt aber seinen Gedankengang weiter. In den 90’er Jahren richtet sich seine Aufmerksamkeit auf die Kritik der klassischen Perspektive: „Die klassische Perspektivenlehre (deren zentrale Begriffe der Blickpunkt und der Horizont sind) versucht ein reales Bild zu konstruieren, welches beliebig manipuliert werden kann. Deswegen arbeitet man dort nur mit halben Elementen, – was geometrisch gesehen ein Fehler ist – da die Elemente beim Horizont aufhören Die perspektivische Konstruktion „korrigiere” ich im geometrischen Sinne: ich setzte die Konstruktion auch über den Horizont fort, wodurch zwei Räume entstehen – also ein räumliches Gebilde vor und hinter der Horizontlinie. Das entstandene doppelte Bild (ein umgekehrtes Spiegelbild mit einer umgekehrten Perspektive) ist eine alternative räumliche Form, in der das eine Bild gleichzeitig der leere Platz des anderen und im geometrischen Sinne die Form dessen Fehlens ist” (aber nicht sein Gegenteil! Alpár Bujdosó). (Über die Kunst hinaus. Ausstellung organisiert vom Zeitgenössischen Kunstmuseum/Ludwig Museum, 1996. Hrsg.: Peter Weibel).
Diese Konstruktionen, also die „Spuren2 der Konstruktionen erscheinen in seinen aus 6mm breitem Stahl angefertigten Werken (z.B. im Horizont, aus Chromstahl, 166 x 273 cm, 1999, Museum der Zeitgenössischen Kunst, Deposit). Da der Akzent auf dem Horizont liegt, spielen sich die Ereignisse in einer Höhe von 1,66 Meter in der Nähe der Horizontlinie ab, die nur imaginär „kreiert” wird, wo die schief, in einem kleinen Winkel an die Wand fixierte Metallplatte angebracht ist. Das ist zugleich die Achse, durch die das obige doppelte Bild zustande kommt. Das grafische Bild, das durch die Schatten der ausgeschnittenen Formen entsteht, ist natürlich auch Teil der Konstruktion. Die in der N&n Galerie und hier ausgestellten (kleineren) Konstruktionen (Maße: ca. 27cm x 35cm) sind auch so, aber sie weisen sowohl hinsichtlich ihres Materials als auch der technischen Gestaltung mit den großen Tafeln (fast hätte ich Tafelbilder gesagt) eine große Ähnlichkeit auf.
Die großen Bilder der Renaissance und die Fresken des Barocks lassen ihre eigene tragende Ebene verschwinden und sie „zerstören dabei” „natürlich nur virtuell” die tragenden Wände, die die Träger dieser Ebene sind: sie „reden” in die Konstruktion des Gebäudes und der Architektur hinein, sie dekonstruieren es. Sie zerstören es nicht ” wie es vorhin gesagt wurde” sondern sie teilen es auf, sie schneiden darin ein Fenster. Die Wände werden dabei transparent, es scheint so, als wollten diese Werken damit die „immaterielle Nachricht” verkünden, die in der „Konstruktion des Nichts” formuliert wurde. Megyik glaubt in der dekonstruktiven Architektur die gleiche Absicht zu entdecken. Die Form dient nicht der Tektonik, sondern sie bringt mit der Betonung der geometrischen Komponente bestimmte Elemente zum Schweben, wodurch zugleich „eine neue Dimension, ein neues Szenario geschaffen wird, und das Gefühl von Draußen und Drinnen, die ganze visuelle Perzeption wird verändert”. Das Werk, dessen Grundriss er vom „Santa Maria Novella” geliehen hat, entstand früh, in der Phase, als Megyik die Stäbchen-Konstruktionen schuf. Der architektonische Grundriss erschien in diesem Werk als ein Bild und die darauf gebaute dreidimensionale Konstruktion erschien als die Architektur. In diesem Werk zeigte sich schon die heutige Überzeugung von Megyik, nämlich dass die visuelle Kunst mit der Architektur eng verbunden ist. Ihre Beziehung ist nicht nur in dem Sinne ein Aufeinanderwirken, dass das eine das andere bedingt, sondern auch in dem Sinne, dass eine gültige Aussage nur durch die Wechselwirkung der beiden, durch eine „Widerrede” entstehen kann.
Mit all dem, was ich hier gesagt habe, möchte ich betonen, dass János Megyik ein alternativer Künstler, sozusagen ein „Einzelgänger” ist. Er ist zwar mit seinem ganzen Sein Teil der modernen Kunst, aber er ist nie Teil oder Anhänger einer Strömung oder einer Modeerscheinung geworden: sein Stil und seine Arbeitsmethode wurden immer durch sein eigenes Denken bestimmt.
Kurz und gut ” ich bin Schriftsteller, ich lebe vom Schreiben ” wünsche ich Ihnen, dass die Werke Sie davon überzeugen, was Sie jetzt gehört haben. Es ist meine Lesart und eventuell auch die von János Megyik. Diese ist aber nicht die einzig gültige Lesart. Gültig ist auch Ihre, die sich von meiner bedeutend unterscheiden kann.
(MADI art periodical No6)