MADI heute in Ungarn

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MADI heute in Ungarn

MADI (Mouvement, Art Abstrait, Dimension, Invention) ist ein formale und geistige Freiheit verkündender Zweig der abstrakten geometrischen Kunst, der vor fünfzig Jahren von dem aus Uruguay gebürtigen, in Paris lebenden weltberühmten Meister Carmelo Arden Quin ins Leben gerufen wurde. Die Grundphilosophie der Bewegung geht unter anderem auf das Werk der ungarischstämmigen Künstler László Moholy-Nagy und László Péri zurück. Im Mittelpunkt der MADI-Ästhetik steht die Bewegung, die das Leben charakterisiert oder symbolisiert. In Ungarn sind die zeitgenössischen konstruktiv-geometrischen
Richtungen fest verwurzelt. Neben Moholy-Nagy und Peri denke man an das Schaffen von Nicolaus Schöffer oder Victor Vasarely und vor allem auch an den Ende der zwanziger Jahre aus der Wiener Emigration für immer nach Ungarn zurückgekehrten Lajos Kassák, der schon 1921 die Gattung der – der MADI-Ästhetik so nahen – Bildarchitektur entwickelte.

Obwohl die Kriegsjahre und der später vorherrschende sozialistische Realismus lange Zeit auch in Ungarn die geometrischen Tendenzen verdrängten, griffen in den sechziger Jahren junge Künstler der zweiten Avantgarde-Generation (Imre Bak, János Fajó, Ilona Keserü, Tibor Csiky, Tamás Hencze u. a.) dieses Erbe bewußt und folgerecht auf: In der zweiten Hälfte der Sechziger schuf Imre Bak geometrisch geformte Gemälde, János Fajó frei geformte Bilder und Plastiken aus Flachplatten mit Negativräumen, Ilona Keserü Gips-Leinen-Objekte, István Haraszty spielerische Mobile. In den Achtzigern präsentierten Attila Joláthy, Tamás Hencze und Dóra Maurer ebenfalls frei geformte Werke. Kunsthistorisch belegt, standen die ungarischen geometrisch-konstruktiven Künstler nicht nur bei der MADI-Gründung Pate, sondern waren, gleich einem latenten Element in den Fußstapfen ihrer Vorgänger, stets schöpferisch im MADI-Geiste tätig.

Als János Saxon Szász und ich 1991 im Paris den MADI-Leuten und Arden Quin persönlich begegneten und beschlossen, auch Ungarns konstruktive, geometrische Gegenwartskünstler über interMADI zu informieren, konnten wir in ihren Ateliers etliche rahmensprengende, geometrisch geformte Gemälde, mobile Skulpturen sowie geometrische, mit Licht und Hohlräumen operierende Plexiglas-Schöpfungen entdecken. Eine bis in die sechziger Jahre zurückreichende an Auswahl MADI-Exponaten von fast zwanzig zeitgenössischen ungarischen Künstlern war erstmals 1993/94 in der Győrer Kunsthalle, dann im Budapester Kassák-Museum zu sehen. Im Ergebnis wurden die Künstler 1994 nach Frankreich eingeladen, um in Maubeuge mit eigenen Arbeiten an der Gründung eines Internationalen MADI-Museums teilzunehmen.

Zu den wichtigsten Ereignissen der ungarischen MADI-Geschichte gehörte das Internationale MADI-Fesfival im Juni ’95 in Győr, das zum 100. Geburtstag von Moholy-Nagy in der Vár-Art Galerie und an dazugehörigen Schauplätzen stattfand und gemäß dem MADI-Geist über die bildende Kunst hinausging: Auf dem Programm standen die Uraufführung von Attila Reményis MADI-Komposition durch das Győrer Schlagzeugensemble, außerdem mobile Gedicht-Aktionen, Drachenbauen, Feuerwerk, Flaschenpost, eine Dokumentations-schau sowie eine aufregende Fachkonferenz mit in- und ausländischen Künstlern und Theoretikern, darunter Carmelo Arden Quin. Künstler aus aller Welt boten eigene Werke für ein internationales MADI-Museum mit Sitz in Ungarn an. Aus dem Material des „Mobilen MADI-Museums”, das noch keine endgültige Heimstatt gefunden hat, stellen wir regelmäßig Präsentationen für verschiedene Städte des Landes zusammen.

Im Frühjahr 1997 konnten Interessenten bei einer Budapester Doppelschau Werke von Mitgliedern der ungarischen MADI-Gruppe (Vízivárosi Galéria) und von ausländischen MADI-Künstlern (Institut Français) kennenlernen. Beide Ausstellungen wurden von Kunsthistoriker Dr. László Beke eröffnet.

Noch nach fünfzig jahren treffen sich MADI-Künstler immer wieder an den verschiedensten Orten. MADI-Ausstellungen sind zu sehen in Neumexiko, Paris, Mailand, Montevideo und unlängst in Madrid. MADI ist also keine verknöcherte Bewegung, sondern lebendige Wirklichkeit voller Witz und Geist, heiter, ausgelassen und verspielt.

(MADI art periodical No2)